Geduld lernen: 4 wichtige Tipps

Die Geduld bleibt in unserer heutigen hektischen Zeit oft auf der Strecke. Es fällt nicht immer leicht, geduldig und gelassen zu bleiben.

Wir sind es gewohnt, alles sofort zu erhalten. Auch deshalb, weil in unserer Gesellschaft die Technologien und die Strukturen vorhanden sind, um alles innerhalb kürzester Zeit bereitzustellen. All das trägt dazu bei, dass der Geduldsfaden heute äußerst dünn gesponnen ist.

Der Mensch hat
das Warten verlernt,

darin liegt das Grundübel
unserer Zeit.

William Somerset Maugham

Das Erlebnis eines Freundes

Ein Freund von mir, der für längere Zeit in Afrika unterwegs war, hat sich Geduld wieder angewöhnt bzw. dort lernen müssen. Lange Wartezeiten gehören dort vielfach zum Alltag. So erzählte er mir von einem Erlebnis in einer kleineren Stadt, wo er beruflich zu tun hatte:

An der Bushaltestelle hat er sich über die Abfahrtszeiten für die Fahrt in die nächste Stadt informiert.

Überpünktlich gemäß dem Motto „Pünktlichkeit ist fünf Minuten vor der Zeit“ stand er am nächsten Tag an der Haltestelle und hat sich gewundert, dass er der einzige war, der auf den Bus zu warten schien.

An dieser Situation hat sich eine Viertelstunde später nichts geändert. Als eine Frau vorbeikam, versicherte sie ihm, dass der Bus noch kommt. Eine halbe Stunde später stieß schließlich noch ein älterer Mann dazu, der auch auf den Bus wartete.

Und nach etwa 40 Minuten fuhr dieser auch tatsächlich vor. Aber der Busfahrer machte keine Anstalten, gleich weiterzufahren. Mein Freund, der schon ziemlich „auf Nadeln war“, fragte nach dem Grund der Verzögerung.

Der Busfahrer ließ ihn wissen, dass sicher noch mehrere Personen mitfahren möchten. Und er sollte Recht behalten. Nach und nach trudelten weitere Menschen ein. Nach etwa einer weiteren Stunde war der Bus bis auf den letzten Platz belegt und fuhr schließlich ab. Und niemanden schien die Wartezeit zu stören.

Mich hat diese Erzählung amüsiert. Damit will ich verdeutlichen, dass in anderen Ländern und Gesellschaften Geduld durchaus anders „gewertet“ wird.

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Wie spät fährt der Bus ab? Sobald alle Plätze belegt sind!

Geduld hat Vorteile

Dass man mit dieser Tugend in der Regel weiterkommt, dürfte wohl einleuchten. So haben ungeduldige Menschen häufig Schwierigkeiten, Ziele zu erreichen, da sie bei Hindernissen und Problemen schneller aufgeben.

Ungeduld ist auch ein fruchtbarer Nährboden für Fehler und Konflikte. Und sie kann auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Denn ungeduldige Personen sind häufig(er) Ärger und Stress ausgesetzt. Sie setzen sich selber unter Druck. Diese permanente Anspannung zehrt an der körperlichen und psychischen Verfassung.

Warum werden wir immer ungeduldiger?

Meiner Meinung nach liegt es insbesondere an der rasanten Technologieentwicklung. Internetzugang und Smartphone gehören heute für die meisten zur Standardausstattung. Niemand will mehr warten.

Wir sind lange Wartezeiten einfach nicht mehr gewohnt. Auch deshalb, weil in unserer Gesellschaft die Technologien und die Infrastrukturen vorhanden sind, um alles innerhalb kürzester Zeit bereitzustellen.

Allein diese Möglichkeiten und die daraus resultierende Erwartungshaltung sind Gründe, warum die Menschen in der „modernen Welt“ ungeduldiger sind als sie es z. B. noch vor wenigen Jahrzehnten waren. Auch der zunehmende Leistungs- und Zeitdruck nährt die Ungeduld.

Geduld lernen: 4 Tipps

Geduld lernen – das ist leichter geschrieben als umgesetzt, ich weiß. Wenn Sie tatsächlich geduldiger und gelassener werden wollen, gehen Sie am besten so vor:

1. Bewusst machen

Es heißt nicht umsonst „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung“. Es geht im ersten Schritt also darum, dass Sie sich bewusst machen, wann und in welchen Situationen Sie die Ungeduld überkommt. Und auch, was Sie mit Ihrer Ungeduld schon alles angerichtet haben – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen Personen.

Deshalb Papier und Stift zur Hand und alle Folgen und Situationen notieren.

Im nächsten Schritt kommt das Hinterfragen dran. Für jede notierte Situation sollten Sie sich fragen, warum Ihnen in der entsprechenden Situation der Geduldsfaden reißt. Welche Gedanken ruft die Situation hervor?

2. Denkmuster ändern

Die Grundeinstellung basiert meist auf einem Denkmuster. Und ein solches hat sich in der Regel über Jahre eingeprägt. Nun gilt es, andere Denkansätze in Ungeduldsmomenten zu finden – beispielsweise das Positive in Wartezeiten zu sehen.

3. Wartezeiten sinnvoll nutzen

Um Wartezeiten zu überbrücken, sollten Sie sich Möglichkeiten zurechtlegen. Das können beispielsweise Gehirnjoggingübungen oder andere Gedankenspiele sein, die Sie durchspielen.

4. Üben

Ein Denkmuster und eine Grundeinstellung lassen sich nicht von heute auf morgen ändern. Es braucht Übung. Visualisieren kann da auch ein starker Motor sein. Sich also intensiv vorstellen, wie Sie in Zukunft auf typische Ungeduldssituationen mit Gelassenheit reagieren. Dann auch bewusst solche Situationen suchen, um Geduld zu üben. Auch Tätigkeiten bewusst langsam auszuführen, kann beim Üben helfen.

Wenn Sie das nächste Mal in einer Situation zu ungeduldig sind, auf die Sie keinen Einfluss haben, können Sie sich auch folgendes Sprichwort in Erinnerung rufen:

Gras wächst auch dann nicht schneller, wenn man daran zieht.

Eine Kurzgeschichte

Abschließend noch eine Kurzgeschichte, die vermittelt, dass das Warten und damit verbunden die Geduld durchaus einen Sinn haben können:

Es war einmal ein junger Bauer, der wollte seine Liebste treffen. Er war ein ungeduldiger Geselle und viel früher zum Treffpunkt gekommen. Er verstand sich schlecht auf’s Warten. Er sah nicht den Sonnenschein, nicht den Frühling und die Pracht der Blumen. Ungeduldig warf er sich unter einen Baum und haderte mit sich und der Welt.

Da stand plötzlich ein graues Männlein vor ihm und sagte: „Ich weiß, wo dich der Schuh drückt. Nimm diesen Knopf und nähe ihn an deine Jacke. Und wenn du auf etwas wartest und dir die Zeit zu langsam verstreicht, dann brauchst du nur den Knopf nach rechts zu drehen, und du springst über die Zeit hinweg bis dahin, wo du willst.“

Er nahm den Zauberknopf und drehte. Und schon stand die Liebste vor ihm und lachte ihn an. Er drehte abermals und saß mit ihr beim Hochzeitsschmaus. Da sah er seiner jungen Frau in die Augen:

„Wenn wir doch schon allein wären …“

„Wenn doch schon unser neues Haus fertig wäre …“

Und er drehte immer wieder. Jetzt fehlten noch die Kinder und er drehte schnell den Knopf. Dann kam ihm Neues in den Sinn und er konnte es nicht erwarten. Und drehte, drehte, dass das Leben an ihm vorbeisprang. Und ehe er sich’s versah, war er ein alter Mann und lag auf dem Sterbebett.

Er merkte, dass er mit der Zeit schlecht gewirtschaftet hatte. Nun, da sein Leben verrauscht war, erkannte er, dass auch das Warten des Lebens wert ist. Und er wünschte sich die Zeit zurück.

Heinrich Spoerl, dt. Schriftsteller, 1887-1955


Abschließend noch ein passender, nachdenkenswerter Spruch (aus China):


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Kommentare

  • Elke Singhateh

    Die afrikanische Geduld und scheinbare Zeitlosigkeit erlebe ich jedes Jahr und ich brauche länger, mich nach dem Afrika-Aufenthalt (der nicht immer Urlaub bedeutet, sondern auch Hausbau + Familie meines Mannes) in Europa wieder zurechtzufinden als umgekehrt. Das beinahe identische Erlebnis mit dem Bus hatte ich nach meiner Frage an den Fahrer: “Wann fährt denn der Bus ab?” Die Antwort: “Wenn er voll ist.”

    Ebenso in einer so genannten Bundesbank beim Einlösen eines Schecks meines Mannes: 2 Schalter besetzt, 5 Personen warten (inkl. uns), an beiden Schaltern dauert es sehr lange, wir warten 2 Stunden. Dann wird 1 Schalter frei und die Dame geht in die Mittagspause. Der andere Schalter ist weiterhin vom selben Mann beansprucht. 1 Stunde später kommt die Dame von der Mittagspause zurück und fängt an, die seit Stunden wartenden Kunden zu bedienen, nach 4 Stunden Wartezeit sind auch wir drangekommen. Keiner beschwert sich.

    Ich fand es sogar sehr interessant, denn die Menschen, die zusätzlich kommen und gehen, waren Unterhaltung pur. Zudem trifft man immer Familie und Freunde meines Mannes. Langweilig wurde es trotzdem nicht, da Afrikaner generell geselliger sind und sich nicht scheuen, auch mit Fremden ein Gespräch anzufangen.

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Herzlichen Dank für Ihren interessanten Erfahrungsbericht, Frau Singhateh!

  • Verena

    Dabei muss man aber auch daran bedenken, dass man lernen muss, ggf. eigene Verspätungen richtig zu argumentieren. Denn die größte Geduld nützt einem wenig, wenn ein Termin platzt und unwiederbringlich die Beziehung zerstört ist …

    Leider ist es etwas schwieriger, die Einstellung anderer Kulturen hier umzusetzen. Aber wenn man Gelassenheit praktiziert, kann man die eigene Geduld auch in seinem Umfeld etablieren.

  • Stephan Wiessler

    Tolle Geschichte!

    Ich habe eine Zeit lang in Spanien gelebt. Da war es auch normal, dass alles etwas länger gedauert oder später begonnen hat.

    Selbst die Uni-Vorlesungen haben häufig einfach 30 Minuten später angefangen. Für einen Deutschen zunächst schwer zu begreifen, mit welcher Gelassenheit der Prof. viel zu spät eintrudelt, um mit seiner Vorlesung zu beginnen. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich dran und kann es sogar irgendwann genießen.

    Grüße

  • Angelika

    So einfach es klingt, dass man Geduld lernen kann und man häufiger etwas gelassener nehmen sollte, umso schwieriger ist die Trennung bzw. das Erkennen der Grenze zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit.

    Gerade in der heutigen Gesellschaft, unter Jugendlichen und jungen Menschen, habe ich das Gefühl, dass aus der Gelassenheit z.B. ein ‘ist mir doch egal, ob ich heute noch Antwort bekomme. Muss sich der Chef halt selbst kümmern, wenn es ihm eilig ist’ geworden ist. Schade.

  • Michel

    Schöne Geschichten.

    Aber vielleicht ist dieses Verhalten im Ausland auch der Grund dafür, dass es diese Länder zu nichts gebracht haben. Sorry, meine Meinung.

  • Henry

    Ich lebe seit 2006 in Thailand. Schnell musste ich lernen, dass ich mit meiner deutschen “Schnell-schnell”-Mentalität anfange, mich aufzureiben und mich selbst unnötig stresse. Es geht auch langsamer und dadurch ist vieles besser. Es geht nicht um die Geschwindigkeit, sondern darum, dass man etwas gut macht. Manchmal fällt es mir auch nach so langer Zeit immer noch schwer, mich zu gedulden, aber es wird immer besser und stressfreier.

  • Vanessa

    Super Text!!

    Ich befinde mich selbst gerade in einer Lage, wo ich seeehr geduldig und ruhig bleiben muss. Ich ertappe mich selber dabei, wie hilflos man sich fühlt, wenn man praktisch gezwungen, ist geduldig zu bleiben.

    Ich bin sonst ein äußerst ungeduldiger Mensch und komme dabei echt an meine psychischen Grenzen, aber gerade die Geschichten helfen einem zu verstehen, das Geduld manchmal das beste ist, jetzt muss ich nur noch lernen, es umzusetzen. ;)

    Ich wünschte echt, ich hätte ein bisschen mehr von dieser afrikanischen Geduld, ich will gar nicht wissen, wie ich reagiert hätte …

  • Ferenc

    Hallo :)

    Danke für den tollen Beitrag!

    Denke auch, dass vor allem bewusst machen und üben sehr wichtig sind, sonst führt das nur zu mehr Stress und Problemen.

    Liebe Grüße
    Ferenc

  • Sofia

    Vielen Dank für diesen schönen und lehrreichen Beitrag. Ich las gerade Herman Hesses “Siddhartha”, wo es in einem Abschnitt um das Lernen von Geduld und Zuhören geht. Das machte mich nachdenklich. Geduld zählt nicht zu meinen Stärken und zerstörte mir demnach schon einige Lebenssituationen, die wahrscheinlich ziemlich schön gewesen wären, hätte ich doch nur gewartet. Und so, seitdem ich mich seit einigen Monaten intensiv mit mir auseinandersetze, so stoße ich auch auf Seiten wie diese, was mir sehr hilft.

    Es ist, als ob ich auf einmal auf das Darknet des glücklichen Lebens gestoßen bin – und das nur, weil sich mein Bewusstsein erweitert. Für mich immer wieder eine Überraschung, wie blind ich doch war. Umso schöner, wie klar ich nun sehen kann. Naja, ein bisschen Schmutz ist noch auf der Brille, aber den putz ich auch noch weg! ;)

    Liebe Grüße,
    Sofia

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Das „Darknet des glücklichen Lebens“ – gefällt mir. :-)