Die fünf Gelehrten und der Elefant

In einem Königreich lebten einst fünf weise Gelehrte. Und sie alle waren blind. Ihr König schickte sie auf die Reise nach Indien, um herauszufinden, was ein Elefant ist.

Dort angekommen, wurden sie von einem Helfer zu einem Elefanten geführt. Sie standen dann um das Tier und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.

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Sie standen um das Tier und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen …

Wieder zurück beim König sollten sie über den Elefanten berichten.

Der erste blinde Gelehrte hatte das Ohr des Tieres ertastet und begann: „Der Elefant ist wie ein großer Fächer“.

Der zweite Blinde, der den Rüssel berührt hatte, widersprach ihm: „Nein, er ist ein langer Arm.“

„Stimmt nicht, er fühlt sich an wie ein Seil mit ein paar Haaren am Ende“, entgegnete jener Gelehrte, der den Schwanz des Elefanten ergriffen hatte.

„Er ist wie eine dicke Säule!“, berichtete der vierte blinde Gelehrte, der das Bein ertastet hatte.

Und der fünfte, der den Elefantenrumpf berührt hatte, meinte: „Der Elefant ist wie eine riesige Masse mit einigen Rundungen und Borsten darauf.“

Sie konnten sich nicht einigen, was ein Elefant wirklich ist. Aufgrund ihrer widersprüchlichen Aussagen, fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs.

Doch der König lächelte weise:

„Ich danke euch, denn nun weiß ich, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit Ohren wie Fächer, mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit einem Schwanz, der einem Seil mit ein paar Haaren daran gleicht, mit Beinen, die wie starke Säulen sind und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit einigen Rundungen und ein paar Borsten ist.”

Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufriedengegeben hatten.

Und so ist es wohl auch:

Jeder von uns hat seine eigenen Wahrheiten, weil wir individuell wahrnehmen. Und das ist gut so! Aber wir sollten dabei immer offen bleiben für die Wahrnehmungen und „Wahrheiten“ der anderen.


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Fühlen und Ertasten ist ein Akt der Achtsamkeit

Die obige Geschichte kann zur Vermittlung von Achtsamkeit herangezogen werden. Denn das Fühlen und Ertasten ist ein Akt der Achtsamkeit. Als Ergänzung zur Geschichte eine passende Achtsamkeitsübung:

Achtsamkeitsspaziergang

Für die Durchführung dieser Übung benötigen Sie die Unterstützung einer Person. Wechseln Sie sich beim Führen ab, sodass Sie beide spannende Sinneserfahrungen erleben und sich darüber austauschen können.

Aber auch, wenn Sie allein in der Natur (z. B. im Wald) unterwegs sind, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, sich in Achtsamkeit zu üben: Achten Sie auf eine bestimmte Farbe oder auf sämtliche Blüten oder ausschließlich auf den Vogelgesang oder …

  1. Bitten Sie eine vertraute Person, Sie auf einem Spaziergang zu begleiten.
  2. Schließen Sie die Augen, sobald Sie sich auf sicherem Gelände befinden.
  3. Lassen Sie sich dann von Ihrer Begleitperson führen.
  4. Fühlen und ertasten Sie die Gegenstände (aus der Natur), die Ihnen gereicht werden.

Als Team- oder Gruppenübung:

Diese Übung eignet sich ebenso gut zur Durchführung in der Gruppe oder im Team, etwa bei einem gemeinsamen Ausflug.

Beispiel: Sie fungieren als „Geber“. Die anderen bilden eine Reihe oder einen Kreis und schließen die Augen.

Sie als Geber holen einen Gegenstand aus der Natur und beschreiben seine Farbe. Darauf geben Sie ihn der ersten Person (Augen geschlossen!) in die Hand. Diese schildert NUR die Oberfläche. Dann wird er weitergereicht. Das nächste Gruppenmitglied riecht daran und erläutert den Geruch. Die nächste Person die Form etc.

Nachdem der Gegenstand durch die Reihe gegangen ist, dürfen die Gruppenmitglieder raten, um was es sich handelt. Dann ist das nächste Objekt dran.

Sie können in einer späteren Runde nochmals den selben Gegenstand reichen, ohne die Gruppe davon in Kenntnis zu setzen.

Allerdings erfolgt dieser Durchgang in einer anderen Reihenfolge, sodass die Eigenschaften (Form, Geruch, Oberfläche, …) jeweils von einer anderen Person beschrieben werden. Es wird Sie überraschen, wie unterschiedlich dabei die Wahrnehmung ausfallen kann.

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