Sie wollen das Selbstbewusstsein Ihres Kindes fördern? Dann achten Sie auf Ihre Sprache!

Gastbeitrag von Dr. Priska Heidenberger, Kindergartenpädagogin und Kinderbuchautorin:

Stellen Sie sich bitte folgende Frage:

Wie spreche ich mit meinem Kind? Welche Worte verwende ich?

Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? Überlegen Sie in Ruhe. Hören Sie sich selber zu, wenn Sie mit Ihrem Kind sprechen. Hören Sie genau hin, wie Sie mit Ihrem Kind sprechen, wenn es etwas angestellt hat.

Diese Überlegungen machen Ihnen bewusst, wie Sie mit Ihrem Kind sprechen, welche Worte Sie verwenden. Sind es eher aufbauende oder entmutigende, freundliche oder unfreundliche Worte?

Die Art und Weise, wie wir mit Kindern sprechen, ist von großer Bedeutung für die Entwicklung des Selbstbewusstseins. Mit den Worten, die wir gebrauchen, können wir Fähigkeiten im Kind hervorlocken oder verkümmern lassen, Selbstvertrauen aufbauen oder zerstören.

Deshalb ist es so immens wichtig, darauf zu achten, wie wir mit Kindern sprechen, um sie zu selbstsicheren Menschen heranwachsen zu lassen.

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Selbstbewusste Kinder fühlen sich frei(er)

Mit persönlicher Sprache Talente wachsen lassen

Verwenden Sie eine wertschätzende, persönliche Sprache. Reden Sie mit Ihrem Kind wie mit einem lieben Freund.

Vermeiden Sie den Befehlston: „Laurin, deck den Tisch!“

Fragen Sie Ihr Kind lieber um Mithilfe: „Laurin, deckst du mir bitte den Tisch?“

Ermutigen Sie Ihr Kind: „Versuch, die Schuhe allein zu binden“, anstatt ihm zu sagen: „Das kannst du noch nicht. Dafür bist du noch zu klein.“

Verzichten Sie auf Beschimpfungen: „Bist du dumm? Warum steigst du denn in die Pfütze, du hast ja keine Gummistiefel an!“ Sagen Sie stattdessen, was Sie von Ihrem Kind wollen: „Laura, geh bitte sofort aus der Pfütze heraus!“

Verwenden Sie eine persönliche Sprache

Eine Sprache ist dann persönlich, wenn Sie

  • sagen, was Sie sehen,
  • sagen, was Sie fühlen,
  • sagen, was Sie möchten,
  • und das Kind darum bitten.

Ich erläutere das Ganze anhand eines Beispiels:

Lukas kommt jeden Morgen in den Kindergarten, zieht sich Jacke und Schuhe aus, die Hausschuhe an und geht zum Spielen. Die Jacke lässt er häufig am Boden liegen, anstatt sie aufzuhängen. Dann gehe ich zu ihm und bitte ihn, die Sachen in Ordnung zu bringen.

„Lukas, deine Jacke liegt auf dem Boden (ich sage, was ich sehe). Mich ärgert das (ich sage, was ich fühle), denn ich möchte Ordnung in der Garderobe haben (ich sage, was ich möchte). Kannst du bitte die Jacke aufhängen, wenn du sie ausgezogen hast (ich bitte um das, was ich haben möchte)?“

Nach einiger Zeit erinnert Lukas sich selber daran, die Jacke aufzuhängen.

Wissen Sie, was mich an der persönlichen Sprache so fasziniert?

Wenn wir persönlich bleiben, also von uns sprechen, dann verletzen wir Kinder nie! Und die Kinder fühlen sich ernst genommen.

Führen Sie Gespräche ohne Bewertung

Indem Sie von sich, von Ihren Gefühlen, Gedanken und Empfindungen erzählen, verzichten Sie auf Bewertungen.

Bewertungen machen Kinder abhängig von unseren Urteilen, das wollen wir nicht. Wir wollen selbstbewusste Kinder. Wir wollen Kinder, die Vertrauen haben in das, was sie tun, und ein selbstbestimmtes Leben führen. Unterscheiden Sie Bewertungen von persönlichen Aussagen.

Vielleicht ist Ihnen der Unterschied zwischen Bewertung und persönlicher Aussage noch nicht bewusst. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meinem Kindergartenalltag, um Ihnen diesen Unterschied aufzuzeigen.

  • Sarah hat ein Bild für mich gemalt. „Das ist für dich. Das schenke ich dir.“
  • „Danke, Sarah. Ich freue mich (persönliche Aussage) über dein Geschenk.“
  • „Ist das Bild schön?“, wollte Sarah wissen („schön“ ist eine Bewertung). Viele Kinder stellen diese Frage. Sie sind gewohnt, dass wir sie beurteilen, und fragen deshalb danach.
  • „Mir gefällt es.“ (persönliche Aussage)
  • „Ist es schön?“ Sarah fragt wieder. Zu sehr sind Kinder gewohnt, dass wir ihre Dinge bewerten, anstatt nur unsere Empfindungen darüber ausdrücken.
  • „Sarah, mir gefällt dein Bild. Ich finde es sehr schön.“ (persönliche Aussage)

Ist Ihnen der Unterschied klar geworden?

„Das ist schön“ und „Für mich ist das schön“ sind zwei verschiedene Aussagen.

„Das ist schön“ ist eine Bewertung. „Für mich ist das schön“ ist eine persönliche Aussage. Kinder wollen unsere Meinung, nicht unsere Bewertung. Probieren Sie es aus: Versuchen Sie, Ihrem Kind gegenüber persönliche Eindrücke zu vermitteln, anstatt es zu bewerten.

Apropos schön: Wenn Kinder Erwachsenen etwas schenken, dann sagen die Erwachsenen oft „Schön!“ oder „Super hast du das gemacht“.

Wenn Kinder Erwachsenen etwas schenken, ist das immer ein Ausdruck ihrer Zuneigung.

Sie sagen uns damit, dass sie uns mögen. Ein herzliches Danke, als Zeichen unserer Freude, genügt vollkommen. Zuneigung braucht keine Wertung.


Weitere Themen, um Ihr Kind zu fördern:


Kinder mögen es, wenn Erwachsene von sich erzählen

Es interessiert das Kind, was Sie denken und fühlen, was Sie mögen und nicht so gerne haben. Kinder fühlen sich dadurch ernst genommen. Sie spüren Ihr Vertrauen.

Wenn Sie Ihrem Kind bisher nur wenig von sich erzählt haben, dann ändern Sie das.

Es genügt vollkommen, wenn Sie bei verschiedenen Anlässen etwas von sich erzählen. Dadurch entstehen interessante Gespräche und Erwachsene und Kinder erfahren mehr voneinander.

  • „Sarah, danke für das Bild, das du mir gemalt hast. Das freut mich sehr. Du hast ja eine orange Sonne gemalt. Orange ist eine meiner Lieblingsfarben.“
  • Sarah ganz erstaunt: „Ja? Meine Lieblingsfarbe ist Orange, Grün und auch ein bisschen Gelb.“
  • Ich: „Ich wusste gar nicht, dass dir die Farbe Orange gefällt. Wir haben eine gemeinsame Lieblingsfarbe.“
  • Sarah lachend: „Ja, das ist aber lustig.“

Nehmen Sie Ihr Kind beim Wort

„Priska, schau, wie ich schaukeln kann“, hat Sarah mir von der Schaukel aus zugerufen. Und wissen Sie, was ich gemacht habe? Ich habe kurz zu Sarah hingeschaut. Wenn ich ehrlich bin, waren das sicher nicht fünf Sekunden und ich rief ihr zurück: „Super machst du das.“ Aber:

Kinder wollen unsere Aufmerksamkeit und nicht unsere Bewertung

Es dauerte nicht lange, da rief Sarah wieder: „Priska, schau, wie ich schaukeln kann.“ Ich habe es schon einmal erwähnt: Kinder sind wunderbar.

Sie sagen uns deutlich, was sie von uns wollen. Nur wir Erwachsenen tun uns manchmal schwer, sie zu verstehen. Aber das Schöne an Kindern ist, dass sie so geduldig mit uns sind.

Sie lassen nicht eher locker, bis wir sie verstanden haben. Diesmal habe ich verstanden, was Sarah wollte: Sie wollte, dass ich ihr zuschaue. Ich rief ihr zurück: „Sarah, ich schaue dir zu.“ Und dann schaute ich ihr wirklich zu. Sicher zwei Minuten lang.

Liebe Leserinnen und Leser, jetzt sage ich Ihnen noch etwas, was das Leben mit Ihrem Kind sehr vereinfacht und Ihnen manchen Ärger erspart: Hierzu vorab eine kleine Denkaufgabe. Nichts Besonderes. Ich bitte Sie einfach, das zu tun, was ich Ihnen sage, einverstanden? Bereit? Gut, dann geht´s los:

Denken Sie jetzt bitte nicht an einen blauen Elefanten!

Na? Ich gehe davon aus, dass Sie an einen blauen Elefanten gedacht haben. Ich bin mir sogar sicher, dass Sie daran gedacht haben. Das liegt daran, dass unser Gehirn das Wort „nicht“ ignoriert. Und was bedeutet diese Tatsache für das Zusammenleben mit Ihrem Kind?

Sagen Sie Ihrem Kind, was es tun soll, anstatt ihm zu sagen, was es nicht tun darf.

Formulieren Sie positive Sätze

Anstelle: „Stefan, steig nicht in die Pfütze.“

Besser: „Stefan, geh um die Pfütze herum.“

Anstatt: „Laura, leg dich nicht in die Sonne.“

Besser: „Laura, leg dich in den Schatten.“

Wenn Sie die Sätze so formulieren, dann weiß Ihr Kind genau, was es tun darf. Bei Aufforderungen wie „Laura, leg dich nicht in die Sonne” ist für das Kind nicht klar, was es stattdessen tun soll. Und Sie ärgern sich, dass Ihr Kind nicht folgt.

Sagen Sie Ihrem Kind so anschaulich wie möglich, was es tun darf

Mit anschaulich meine ich, dass Ihr Kind sich genau vorstellen kann, was es tun soll.

Kinder können mit abstrakten Begriffen wie „brav sein“ oder „ordentlich aufräumen“ relativ wenig anfangen. Aussagen wie „Sei brav bei der Oma!“ oder „Benimm dich ordentlich im Kindergarten!“ sind viel zu allgemein. Eine Möglichkeit ist, dass Sie Ihrem Kind sagen, was „brav sein“ heißt, oder dass Sie es einfach weglassen.

Apropos „brav sein“: Anstatt Ihr Kind mit einem „Sei brav bei der Oma“ zu verabschieden, wünschen Sie ihm lieber viel Spaß bei der Oma. Das hört sich gleich viel freundlicher an, oder?

Noch etwas sollten Sie wissen:

Was Sie sagen, nimmt Ihr Kind wortwörtlich

Ihr Kind glaubt Ihnen, denn es liebt Sie. Wie Sie mit Ihrem Kind reden, was Sie von ihm denken, hat Einfluss darauf, was es von sich denkt.

Deshalb: Denken und sagen Sie Gutes von Ihrem Kind.

Noch ein Tipp: Lassen Sie sich von Menschen, die vorwiegend das Negative von ihren Kindern erzählen, nicht mitreißen. Freuen Sie sich an dem, was Ihr Kind kann, und erzählen Sie es mit Stolz weiter. Sagen Sie auch Ihrem Kind gegenüber, was sein Verhalten in Ihnen bewirkt.

Geben Sie Ihrem Kind ein Feedback

Wir Erwachsenen sind oft zu sehr darauf bedacht, Kindern zu sagen, was sie tun sollen: „Lukas, häng deine Jacke auf“ oder „Paul, lass bitte Arthur einmal mit dem Traktor fahren“. Wenn Lukas dann die Jacke aufgehängt hat und Paul Arthur mit dem Traktor fahren lässt, nehmen wir dies als selbstverständlich hin.

Ändern Sie das. Sagen Sie Ihrem Kind, was sein Verhalten in Ihnen bewirkt.

„Lukas, ich habe gesehen, dass du heute die Jacke aufgehängt hast. Das freut mich wirklich.“

Oder „Paul, danke, dass du Arthur den Traktor geliehen hast“.

Kinder erleben dadurch, welche Bedeutung ihr Verhalten für den anderen hat, und entwickeln Mitgefühl.

Sie müssen das nicht immer tun. Aber hin und wieder. Und tun Sie es nur, wenn Sie es wirklich so empfinden. Kinder haben feine Antennen. Sie spüren unsere Ehrlichkeit.

Umsetzungsschritte im Alltag

  1. Ich rede mit meinem Kind wie mit einem lieben Freund.
  2. Ich ermutige es.
  3. Ich verzichte auf Beschimpfungen.
  4. Ich sage meinem Kind, was es tun darf.
  5. Ich sage, was ich sehe, fühle und möchte und bitte das Kind darum.
  6. Ich verzichte auf Bewertungen.
  7. Ich erzähle meinem Kind von mir.
  8. Ich gebe meinem Kind Feedback.

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