Ein Fest zum Jahresausklang. 7 Geschichten zum Jahreswechsel

Der Jahreswechsel ist eine Zeit des Innehaltens, der Besinnung und der Hoffnung. Er lädt uns ein, Vergangenes loszulassen und mit neuem Mut nach vorne zu blicken.

In diesen Momenten voller Symbolik finden sich Geschichten, die uns berühren, inspirieren und daran erinnern, worauf es im Leben wirklich ankommt: Mitmenschlichkeit, Dankbarkeit und die kleinen Gesten, die Großes bewirken können.

Die folgenden sieben Geschichten erzählen von Begegnungen, Einsichten und Wundern, die den Übergang in ein neues Jahr besonders machen. Sie schenken uns Wärme und laden dazu ein, das Herz zu öffnen – für uns selbst und füreinander.

1. Ein Fest zum Jahresausklang

Es war an der Zeit, das Neujahrsfest vorzubereiten. Der König wies seine Leute an:

„Ich möchte, dass es ein wirklich königliches Fest wird. Die Gästeliste soll vor illustren Persönlichkeiten überquellen. Die Tische sollen sich unter Delikatessen biegen und der Wein soll nur aus erlesenen Trauben und den besten Jahrgängen stammen.“

Die Mitarbeiter zogen aus und brachten aus allen Landesteilen nur das Köstlichste. Aber der König war nicht zufriedenzustellen.

„Im letzten Jahr habe ich ein durch nichts zu überbietendes Fest gegeben. Aber die ganze Stadt sprach nur von dem Fest bei Ramun, dem Maler. Da wurde die ganze Nacht getrunken und gelacht bis zum Nachmittag des nächsten Tages. Im Jahr davor war es dasselbe. Ebenso im Jahr davor und davor. Einmal muss es mir doch gelingen, diesen Wurm zu übertrumpfen, denn ich, ich bin der König.“

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„Ich habe ein durch nichts zu überbietendes Fest gegeben“, sagte der König.

Einer der Mitarbeiter, ein kluger Mann, verneigte sich tief und fragte:

„Mein König, habt Ihr je mit dem Maler gesprochen? Es muss doch einen Grund geben, warum die Leute sein Fest so lieben, obwohl sie in einer schäbigen Hütte ihre mitgebrachten Speisen essen und den billigsten Wein trinken müssen.“

Der König nickte stumm und sagte: „Gut, schafft mir diesen Ramun herbei!“ Und so geschah es.

„Warum lieben die Menschen so dein Neujahrsfest?“, fragte der König.

Ramun antwortete: „Wir sind Freunde und schätzen einander – mehr brauchen wir nicht. Deshalb sind wir reich.“

Geschichte aus Persien

2. Der alte Baum und der Jahreskreis

In einem kleinen Dorf stand ein uralter Baum, dessen Stamm von unzähligen Jahresringen durchzogen war. Die Menschen nannten ihn „den Weisen“. Am letzten Tag des Jahres versammelten sie sich unter seinen Ästen und erzählten ihm von ihren Sorgen, Hoffnungen und Wünschen.

Der Baum schwieg, aber seine Äste rauschten im Wind, als würden sie jeden verstehen. „Das neue Jahr beginnt wie ein leeres Blatt“, sagte ein Kind.

„Und du bist der Stift“, flüsterte der Baum. Die Menschen lächelten, nahmen die Botschaft mit und gingen zurück in die warme Nacht.

3. Die Kerze im Fenster

Eine alte Frau zündete in der Silvesternacht stets eine Kerze in ihrem Fenster an. „Warum tust du das?“, fragte ein Nachbar. „Für die Reisenden, die auf dem Heimweg sind“, sagte sie.

In jener Nacht sah ein müder Wanderer das Licht und klopfte an ihre Tür. Sie gab ihm Suppe, ein warmes Bett und ein Lächeln.

Am Morgen fand sie einen Brief: „Deine Güte hat mich daran erinnert, worauf es im Leben ankommt. Danke für das Licht.“ Von diesem Tag an brannten in vielen Fenstern des Dorfes Kerzen.

4. Der leere Stuhl

Eine Familie deckte den Tisch für das Neujahrsessen. Doch ein Stuhl blieb immer leer. „Für den, der kommt“, sagte die Mutter lächelnd. „Wer kommt?“, fragte das jüngste Kind. „Vielleicht ein Nachbar, vielleicht ein Fremder – das wissen wir nie.“

In dieser Nacht klopfte ein obdachloser Mann an die Tür. Die Familie lud ihn ein, setzte ihn auf den leeren Stuhl und teilte mit ihm das Festmahl. „Ihr habt mich gerettet“, flüsterte er. Der leere Stuhl blieb von da an ein fester Teil ihrer Tradition.

5. Die Silvesterglocke

In einem kleinen Kloster gab es eine uralte Glocke, die nur einmal im Jahr erklang – genau um Mitternacht. Die Mönche sagten, sie läute die Sorgen des alten Jahres aus und die Freude des neuen Jahres ein. Eines Jahres blieb sie still, weil die Mechanik defekt war.

Doch die Dorfbewohner kamen zusammen, sangen und feierten trotzdem. Am Ende des Abends sagte der älteste Mönch: „Die Glocke mag still sein, aber die Freude, die ihr bringt, ist lauter als jeder Klang.“

6. Der alte Brief

Eine junge Frau fand an Silvester einen vergilbten Brief in einer alten Schatulle, die ihrer Großmutter gehörte. „An mein zukünftiges Ich“ stand darauf. Sie öffnete ihn vorsichtig. Darin standen Zeilen über Träume, Ziele und Ängste ihrer Großmutter.

Am Ende las sie: „Vergiss nie, dass jeder Tag eine neue Chance ist, etwas Schönes zu beginnen. Und wenn du diesen Brief liest, denk daran, dass ich dich liebe.“ Die junge Frau lächelte und schrieb ihren eigenen Brief für die Zukunft.

7. Der goldene Samen

Ein weiser Mann gab jedem Bewohner seines Dorfes zu Neujahr einen kleinen goldenen Samen. „Pflanzt ihn und pflegt ihn gut. Im nächsten Jahr werden wir sehen, wer am reichsten ist.“

Die Dorfbewohner waren eifrig, doch nach Monaten stellten sie fest, dass die Samen nicht keimten. Einige gaben auf, andere pflegten ihre Pflanzen trotzdem.

Am Ende des Jahres hatte niemand einen Baum, aber der Weise sagte: „Der Samen war ein Symbol. Wer Geduld und Hingabe gezeigt hat, ist reich an Tugend. Und das ist der wahre Reichtum.“

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