Verkaufen will gelernt sein

Wir neigen dazu, die Handlungen anderer Menschen zu beurteilen und in weiterer Folge oft zu verurteilen. Aus der eigenen Perspektive mag eine Handlung unüberlegt und töricht erscheinen. Allerdings erweist sich bei näherer Betrachtung oder mit mehr Hintergrundwissen das persönlich gefasste Urteil hin und wieder als falsches VORurteil.

Das mag wohl auch diese Geschichte vermitteln:

Es war einmal in einem fernen Land ein Junge, der ohne Beine geboren wurde. Um seine Familie, die sehr arm war, dennoch unterstützen zu können, setzte er sich an den Markttagen an die Straße und verkaufte seine Waren.

Immer wenn sich seine Kunden nach dem Preis erkundigten, gab er ihnen die Möglichkeit zwischen einem niedrigeren oder höheren Preis zu wählen. Stets freute er sich, wenn seine Käufer den niedrigeren Preis bezahlten, und bedankte sich vielmals. Seine vielen Kunden spotteten über sein ungewöhnliches Geschäftsgebaren und stempelten ihn zum Dorftrottel ab.

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Stets freute er sich, wenn seine Käufer den niedrigeren Preis bezahlten, und bedankte sich vielmals …

Eines Tages beobachtete ein wohltätiger Mann auf seiner Durchreise das Treiben an seinem Stand und sprach den Verkäufer an: »Hör mal Junge, wenn du dich immer mit dem niedrigsten Preis zufrieden gibst, hast du weniger Geld in der Tasche und die Leute lachen dich noch dazu aus!«

»Ich danke ihnen, mein Herr, für Ihren gutgemeinten Ratschlag«, sprach der Junge, »jedoch wenn ich den höheren Preis verlangen würde, hätte ich nur für kurze Zeit mehr Geld. So kaufen die Kunden immer regelmäßig bei mir ein, um mir beweisen zu wollen, dass sie klüger sind als ich!«

© Gisela Rieger

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Die Geschichte stammt aus ihrem Buch „Inspirationen für`s Herz“:


Gesunder Menschenverstand kann fast
jeden Grad von Bildung ersetzen;
aber kein Grad von Bildung den
gesunden Menschenverstand.
Arthur Schopenhauer, Philosoph und Autor, 1788-1860


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