Das halbgefüllte Glas

Die Folgen von Stress auf die Gesundheit hängen primär von der Dauer der Stresseinwirkung ab. Das soll diese Geschichte deutlich machen:

Während eines Seminars schritt die Referentin durch den Veranstaltungsraum. Als sie ein halbgefülltes Glas mit Wasser hochhielt, erwarteten die Teilnehmer die bekannte Frage: „Ist dieses Glas halb leer oder halb voll?“

Stattdessen fragte sie mit einem Lächeln: „Wie schwer ist dieses Glas?“

Die Antworten schwankten zwischen „200 g“ und „500 g“.

Die Referentin erläuterte: „Das absolute Gewicht spielt keine Rolle. Es hängt davon ab, wie lange ich es halten muss. Halte ich es für eine Minute, ist es kein Problem. Wenn ich es eine halbe Stunde halten muss, werde ich Schmerzen im Arm verspüren. Muss ich es einen ganzen Tag halten, wird mein Arm taub. Das Gewicht des Glases ändert sich nicht, aber umso länger ich es halte, als desto schwerer werde ich es empfinden.“

Sie fuhr fort: „Stress ist wie dieses Glas mit Wasser. Müsst ihr Stress nur über eine kurze Zeit aushalten, wird das bei euch keine sonderlichen Spuren hinterlassen. Aber je länger ihr dem Stress ausgesetzt seid, desto mehr wird dadurch eure psychische und physische Gesundheit leiden, bis ihr schließlich nicht mehr könnt.

Unternehmt ihr selbst nichts gegen den Stress, so wird es euer Körper für euch tun. Und das ist dann meist eine sehr schmerzliche Erfahrung.

Deshalb ist es so wichtig, das Glas regelmäßig abzustellen, um neue Kraft zu tanken.“

Verfasser unbekannt

Diese Geschichte stammt aus meinem Buch „BLÜTEZEITEN: Impulse für Entspannung & Lebensfreude“ (Herder-Verlag).

Erhältlich im Buchladen, online über die verschiedenen Buchhandlungen – z. B. hier direkt beim Herder-Verlag, beim sozialen Buchhändler buch7.de (der Anteile der Einnahmen an soziale, ökologische oder kulturelle Projekte spendet) – oder über Amazon.

9 Antistress-Tipps

1. Listen Sie Ihre Stressoren auf

Listen Sie Ihre Stressauslöser auf. Wer oder was stresst Sie? Diese Erkenntnis ist stets der erste Schritt, um eine Besserung herbeizuführen. Im Anschluss notieren Sie sich für jeden einzelnen Auslöser, wie Sie diesen möglicherweise in den Griff bekommen.

Allein diese schriftliche Auseinandersetzung kann zu aufschlussreichen Einsichten führen und Lösungswege aufzeigen, die Ihnen sonst verborgen blieben.

2. Begeben Sie sich ins Freie

Begeben Sie sich des Öfteren ins Freie. Die Natur ist eine wunderbare Energietankstelle, wo Sie zur Ruhe kommen, Ihre Gedanken sortieren und die Batterien wieder aufladen können.

2. Bewegen Sie sich

Machen Sie so oft wie möglich Sport, bewegen Sie sich. Das führt zu einer Milderung der Stressreaktionen. Aber Sie erreichen damit noch mehr:

Jedes Mal, wenn Sie in Ihre Turnschuhe schlüpfen und sich aus dem Haus in die Natur aufmachen, ist das nicht nur eine Investition in Ihr Jetzt-Wohlbefinden, sondern insbesondere in Ihre Zukunft.

Wie eine Einzahlung auf Ihr „Alterskonto“, damit Sie sich noch in höherem Alter guter körperlicher und geistiger Verfassung erfreuen.

4. Teilen Sie Ihre Sorgen

Versuchen Sie nicht, mit allem allein klarzukommen. Gespräche tun ungemein gut, wirken befreiend und entstressend. Reden Sie sich Ihre Sorgen, Ängste, Ihren Ärger oder Frust von der Seele.

5. Schalten Sie in den Leerlauf

Haben Sie kein schlechtes Gewissen, gelegentlich in den Leerlauf zu schalten. Einfach mal für eine Weile nichts tun, sich völlig der Muße hingeben.

Lassen Sie Langeweile zu. Sie ist ein Gegenpol zur Überstimulation, der wir oft ausgesetzt sind. Und oft sprudeln erst durch diese erholsame Untätigkeit hervorragende, neue Ideen aus den Tiefen des Unterbewusstseins hervor.

Der amerikanische Hirnforscher Marcus Raichle hat um die Jahrtausendwende nachgewiesen, dass im Leerlaufmodus, also bei Untätigkeit, bestimmte Gehirnareale aktiv werden.

Wenn unser Gehirn nicht auf Außenreize reagieren muss, schaltet laut Raichle das Ruhezustandsnetzwerk („Default-Mode-Network“) ein.

Das Gehirn beginnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen, wodurch die neuronalen Netzwerke neu organisiert, das Gedächtnis sortiert, Gelerntes und Erlebtes verarbeitet werden. Und genau dadurch können oft großartige Ideen gedeihen und so manche smarten Problemlösungen auftauchen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein kleines Plädoyer anbringen:

Faulenzen Sie regelmäßig! Frönen Sie dem Müßiggang und erlauben Sie sich Zeiten der Langeweile. Und wenn es nur wenige Minuten am Tag sind, an denen Sie in den Leerlauf schalten und nichts tun. Sie werden feststellen, wie gut es Ihnen tut.

6. Wählen Sie ein Gegenprogramm

Einen optimalen Erholungseffekt erreichen Sie, wenn Sie in Ihrer Freizeit ein Gegenprogramm zur beruflichen Belastung absolvieren:

  • Wenn Sie z. B. im Büro täglich mehrere Stunden vor dem Computer sitzen, kann das Kontrastprogramm aus Bewegung und Sport bestehen.
  • Sind Sie beruflich oder privat mit vielen Menschen in Kontakt, werden Sie sich bei Ruhe gut regenerieren.
  • Ist Ihre Arbeit eher monoton, kann die Freizeit umso aufregender ausfallen.
  • Leisten Sie in Ihrem Beruf primär geistige Arbeit, kann es höchst entspannend sein, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Reparieren, restaurieren, bauen, malen, töpfern Sie – das Schöne daran: Das Ergebnis ist sofort sicht- und greifbar.

7. Entscheiden Sie sich für Entspannung

Entspannung ist meist verbunden mit persönlichen Entscheidungen:

Entschließen Sie sich zu einer halben Stunde Sport oder zu einem Beisammensein mit Freunden, dann ist das eine Entscheidung FÜR die Entspannung. Auch mit einem Ja oder einem Nein treffen Sie Entscheidungen.

Wenn Sie zu fremden Erwartungen oder zu zugeschanzten Aufgaben nicht Nein sagen und Grenzen setzen, entscheiden Sie sich GEGEN die Entspannung. Jede Entscheidung hat Konsequenzen.

8. Machen Sie Atemübungen

Mit Atemübungen verschaffen Sie Ihrem Körper und Geist zwischendurch sprichwörtlich eine Verschnaufpause:

  • Atmen Sie fünf Minuten lang gleichmäßig für jeweils fünf Sekunden über die Nase ein und dann für fünf Sekunden über den Mund aus.
  • Achten Sie darauf, dabei stets in Ihrem Wohlfühlbereich zu bleiben und nicht „bis zum Anschlag“ ein- und auszuatmen.

Führen Sie diese Atemübung am besten mehrmals am Tag durch: morgens, mittags, abends oder jederzeit, sobald Sie Stress verspüren. Sie können den Handywecker nutzen, um sich an die „Atempausen“ erinnern zu lassen.

Es gibt auch zahlreiche Apps, die Sie bei der Durchführung von Atemübungen unterstützen können. Sie begleiten die Übungen mit Entspannungsmusik und geben einen gleichmäßigen Rhythmus vor.

  • Um unmittelbar vor einer anstehenden Herausforderung (z. B. einem schwierigen Gespräch, einer Prüfung, einem Vortrag) Anspannung abzubauen: Atmen Sie langsam ein. Spannen Sie so viele Muskeln wie möglich stark an. Halten Sie die Spannung und atmen Sie langsam aus. Danach entspannen Sie alle Muskeln. Wiederholen Sie den Vorgang, aber bleiben Sie dabei im Wohlfühlbereich.
  • Eine nachweislich stressreduzierende Wirkung haben bestimmte Naturgeräusche (Quelle): Wind, der durch Baumkronen rauscht, das Plätschern eines Baches, Vogelgezwitscher. Je höher der Stresspegel, desto größer deren Effekt.

9. Hören Sie auf die Natur

Mit Hilfe von Messungen in bestimmten Hirnregionen wurde diese positive Wirksamkeit von Naturgeräuschen nachgewiesen. So wird durch das Lauschen von Drossel-, Meisen- oder Amselgesang messbar Stress, Schmerz und der Alltagsärger abgebaut und die Stimmung steigt.

Die positive Wirkung wird darauf zurückgeführt, dass die natürliche Geräuschkulisse kaum (konzentrierte) Aufmerksamkeit erfordert, sondern unmittelbar auf uns einwirkt.

Eine weitere Theorie besagt, dass Vogelgesang das Gefühl von Sicherheit vermittelt, da wir ihn evolutionär mit „Zuhause“ und Geborgenheit verbinden.

Suchen Sie Plätze in erholsamer Umgebung auf – insbesondere in der Natur und vor einer beruhigenden Tonkulisse.

Ist Ihnen das in der Stressphase nicht möglich, können Sie z. B. über Kopfhörer Aufnahmen von Naturgeräuschen lauschen. Im Internet finden Sie Naturtöne, indem Sie etwa auf YouTube die Stichworte „Vogelgezwitscher“, „Wind in den Bäumen“, „Sommerregen“, „Wellenrauschen“ oder „Bachplätschern“ eingeben.

Fazit

Machen Sie sich bewusst, dass der Weg aus der Stressfalle in der Regel nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist. Oft sind große persönliche Veränderungen (Jobwechsel, Trennung, Loslassen, Umzug, Auszeit) erforderlich, um Entspannung und Lebensfreude zurückzugewinnen. Aber diese Veränderung sind es wert. Machen Sie den ersten Schritt! Es ist Ihr Leben!


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