Warum die Zeit im Alter schneller vergeht und was Sie dagegen tun können

Zeit ist etwas, was man als Kind in Fülle hat, als Jugendlicher ignoriert, als Erwachsener bewusster wahrnimmt und im Alter plötzlich nur noch wenig hat.

Dass die Zeit mit Zunahme des Alters schneller verstreicht, ist eine subjektive Wahrnehmung.

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Unterschiedliches Zeiterleben in der Kindheit und im Erwachsenenalter …


Ein guter Freund feierte kürzlich einen runden Geburtstag. In diesem Zusammenhang machte er folgende Aussage:

„Ein Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Überhaupt das letzte Jahr. Ich habe den Eindruck, sie vergeht von Jahr zu Jahr schneller!“

Und alle in der Runde gaben ihm recht. Als Kind war das anders – so zumindest die einhellige Meinung. Da schien ein Jahr eine halbe Ewigkeit zu dauern. Nun, warum ist das so?

Warum unterscheidet sich das Zeiterleben in der Kindheit von dem im Erwachsenenalter?

Dies ist zwar nur eine Hypothese, aber vielleicht spielt bei der beschleunigten Zeitwahrnehmung auch die Relation eines Zeitabschnittes zum Lebensalter eine Rolle.

Als Beispiel:

Für eine 80-jährige Person stellt ein Jahr 1/80 ihrer bisherigen Lebenszeit dar, für ein 10-jähriges Kind hingegen 1/10 seiner Lebenszeit. 1/80 ist weniger als 1/10. Vielleicht scheint deshalb für ältere Personen ein Jahr oft wesentlich kürzer zu sein als für jüngere.

Aber es gibt auch wissenschaftliche Untersuchungen, die das Phänomen der beschleunigten Zeitwahrnehmung so erklären:

Je mehr neue Eindrücke wir innerhalb eines Zeitraums erleben, desto mehr bleiben davon im Gedächtnis hängen und lassen den verstrichenen Zeitraum rückblickend länger erscheinen. Mit dem Alter nimmt in der Regel die Anzahl der neuen Eindrücke innerhalb einer Zeitspanne (z. B. eines Jahres) ab, was zum beschleunigten Zeitempfinden führt.

Kurzum:

Zeitspanne (z. B. Jahr) mit wenig neuen Eindrücken > subjektive Wahrnehmung: Rückblickend ist die Zeit schnell vergangen.

Betrachten wir hingegen das Ganze nicht rückblickend, sondern auf die aktuelle Situation bezogen, schaut das anders aus:

Wenn wir uns z. B. gerade langweilen, auf ein Ereignis hinfiebern oder etwa eine Stunde auf etwas warten müssen, kommt uns diese aktuelle Zeitspanne wie eine gefühlte Ewigkeit vor.

Das Zeitempfinden ist also auch davon abhängig, ob die Betrachtungsweise der Zeitspanne rückblickend oder in der aktuellen Situation erfolgt.

Was ist im Alter anders?

Mit ein Grund für die beschleunigte Zeitwahrnehmung im Alter ist also die Abnahme der neuen Eindrücke innerhalb einer Zeitspanne. Dem ist wohl so. Denn in jungen Jahren erleben wir viel mehr Neues, als das in späteren Jahren der Fall ist. So gibt es für ein Kind fast täglich etwas, das es so noch nicht kennt – eben ein erstes Mal.

Für einen Erwachsenen mit seinem Rucksack an Lebenserfahrung gibt es nicht mehr so zahlreiche „Premieren“. Sein Alltag besteht aus viel Routine. Routinetätigkeiten werden kaum bewusst wahrgenommen, man erledigt sie einfach mit links – aber sie beanspruchen natürlich auch ihre Zeit.

Am Ende des Tages bleiben weniger nachhaltige Erinnerungen zurück und das führt zum beschleunigten Zeiterleben.

Entschleunigen: 4 Vorschläge

Im Umkehrschluss lässt dieses Untersuchungsergebnis die Schlussfolgerung zu, dass wir selbst Einfluss auf unsere subjektive Zeitwahrnehmung nehmen und die Zeit „entschleunigen“ können. Dazu vier Vorschläge:

1. Lernen Sie etwas Neues

Ein Kind lernt täglich etwas Neues dazu, und das nicht nur in der Schule. Deshalb:

Wenn Sie etwas Neues lernen/erleben, wirkt das jedweder Alltagsmonotonie und Routine entgegen.

Ob Sie einen Tanzkurs besuchen, ein Instrument oder eine Sprache lernen oder sich anderweitig intensiv mit einem neuen Thema beschäftigen – Hauptsache, Sie werden aktiv.

2. Verlassen Sie (hin und wieder) Ihre Komfortzone

Manchmal tut es gut, aus dem bequemen Alltagstrott auszubrechen, Türen zu öffnen und neue Wege einzuschlagen. Auch wenn das Überwindung und vielleicht auch Anstrengung bedeutet. Aber das gehört zum Verlassen der Komfortzone dazu.

Diese persönlichen Herausforderungen tragen wesentlich dazu bei, dass wir uns weiterentwickeln, unseren Horizont erweitern und neue Perspektiven kennenlernen. Und schon haben wir wieder weniger Alltag!

Was wollten Sie schon lange einmal machen, wozu Sie sich bisher nicht so richtig getraut haben? Es muss nichts Großartiges sein. Versuchen Sie einfach mal für eine Woche, täglich etwas zu tun, das Sie Überwindung kostet, z. B. Montag: einen fremden Menschen ansprechen, Dienstag: früher aufstehen als gewohnt, Mittwoch: etwas lange Aufgeschobenes erledigen, …

Sie können für diesen Zweck auch Aufgaben/Vorhaben, die Sie Überwindung kosten, jeweils auf Notizzettel schreiben, diese in einen Behälter (z. B. Glas, Topf) geben und daraus jeden Tag einen Zettel ziehen. Das wird dann die Herausforderung für den jeweiligen Tag.

Rückblickend auf die Woche werden Sie dann das Gefühl haben, intensiver gelebt zu haben.


3. Üben Sie Achtsamkeit

Wer achtsam ist, lebt bewusster im Hier und Jetzt, wie das eben auch Kinder tun. Mit Achtsamkeit lässt sich auch die Alltagsroutine durchbrechen. Aber diese Fähigkeit der Achtsamkeit lässt sich nicht von heute auf morgen aneignen.

Nur durch regelmäßiges Üben – und wenn es täglich nur fünf Minuten sind – geht sie in Fleisch und Blut über. Eine Auswahl an wirksamen Achtsamkeitsübungen habe ich hier zusammengestellt. (Auch Kindern können Sie durch gezielte Übungen Achtsamkeit vermitteln.)


4. Resümieren Sie den Tag

Unser Sohn und ich pflegen ein tägliches Ritual. Nach der Gutenachtgeschichte resümieren wir den Tag mit Fokus auf das Positive. Er erzählt mir von schönen Ereignissen, von seinen kleinen und großen Erfolgserlebnissen, ich von meinem Tag.

Allein dadurch wird mir stets bewusst, dass es beinahe jeden Tag Momente gibt, die außerhalb der alltäglichen Routine ablaufen. Allerdings habe ich erst durch dieses Ritual gelernt, diese Momente richtig wahrzunehmen.

Dieses tägliche Reflektieren kann natürlich auch auf andere Weise erfolgen, beispielsweise mithilfe eines Tagebuchs.

Wie ist Ihr subjektives Zeitempfinden? Haben Sie auch das Gefühl, dass die Zeit von Jahr zu Jahr schneller vergeht?


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Kommentare

  • Anja

    Ein schöner Artikel mit ganz viel Inspiration!

    Ich habe eine Zeit lang jeden Tag einen Glücksmoment aufgeschrieben und als Zettelchen in eine Box geworfen, sodass ich reingreifen kann, wenn es mir nicht so gut geht und mir dann immer ein positives Erlebnis in Erinnerung rufen kann. Vielleicht sollte ich das mal wieder reaktivieren… LG!

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Eine schöne Idee, so eine Glücksmomente-Box! Vielen Dank, Anja!

  • Peter Kusterer

    Ich finde es beeindruckend, wie Sie immer wieder einen Zugang zu Themen finden, den ich so noch nirgends gelesen habe!

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Herzlichen Dank, Herr Kusterer!

  • Gunnar

    Ja. Mir vergeht die Zeit auch immer schneller. Wusste gar nicht, dass es dazu auch Untersuchungen gibt. Interessant.

  • Moser Hansjörg

    Mir hatte mal einer gesagt, die Uhr geht immer gleich schnell, aber wir werden immer langsamer und dadurch werden viele Dinge nicht mehr fertig. Deshalb das Gefühl, dass die Zeit zu schnell vergeht. Könnte ja auch stimmen!

  • Frauke

    Ich habe im letzten Jahr ganz viel Neues gemacht und mein Empfinden war, es ist erstaunlich, was in einem Jahr alles passieren kann. Ich kann den Artikel bestätigen.
    Aber am Ende war das Jahr dann trotzdem rum.

  • Daniel

    „Ihr Europäer habt die Uhren und wir Afrikaner haben die Zeit.“

    Das sagte ein Freund zu mir in einem Gespräch über Kultur und Lebensart hier in Deutschland.

    Ich habe das am eigenen Leib erfahren, als wir gemeinsam seine Familie besuchten und einen Monat in dieser Kultur verbrachten. Es gibt dort einfach keinen Stress. Die Leute machen dort weniger Termine und diese sind weniger fest geplant. Es war mir dort nicht bewusst aufgefallen, als ich jedoch frisch gelandet in Düsseldorf am Hauptbahnhof war, fiel es uns in der Reisegemeinschaft wie Schuppen von den Augen:

    Alle Menschen schienen zu rennen.

    „Die können doch nicht alle gerade einen Zug verpassen!“ staunten wir – laaangsam unsere Koffer durch die gestresste Menge ziehend.

    Es war für uns offensichtlich, dass der Rhythmus hier ein anderer ist. Mittlerweile habe ich diesen schnellen Rhythmus wieder adaptiert. Aber wenn ich dieses Thema lese, muss ich sofort an diese Zeit mit meinem Freund denken.

    Meine Idee:

    Streichen Sie einen Termin, auf den Sie auch verzichten können! Nutzen Sie diese Zeit für sich und ihre Familie und ihre lieben Freunde und unterhalten Sie sich aufmerksam mit ihnen. Fragen Sie die Menschen, wie es ihnen geht und hören Sie ihnen dann zu. Gönnen Sie sich einen Abend im Restaurant und lassen Sie einfach die anderen über die Modalitäten entscheiden. Wichtig ist die Gemeinschaft.

    Haben Sie Freunde aus einem sonnigen Land? Fragen Sie die mal über ihre Erfahrungen …

    Liebe Grüße aus Zwickau von Daniel

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Auch eine schöne Idee! Danke Daniel!

      Und ja, im Umgang mit der Zeit gibt es tatsächlich große Unterschiede in den diversen Ländern und Kulturen. Ein Beispiel dazu habe ich auch hier beschrieben.

  • Wolfgang Hamm

    Sehr schöner Artikel mit einer guten Zusammenfassung zum Stand der Dinge.

    Einen Begriff würde ich allerdings nicht verwenden: Entschleunigung. Er führt in die falsche Richtung, angemessen scheint mir das viel zu wenig bekannte “Enthetzung” zu sein. Dazu sind unter anderem die Bücher von KH Geißler sehr erhellend.

  • Julian

    Ein Artikel, der wirklich nachdenklich macht.

    Ich bin gerade einmal 19, aber auch ich habe das Gefühl, jedes neue Jahr vergeht schneller als das alte. Ich werde versuchen, demnächst mal ein paar Ihrer Tipps umzusetzen. Die Routine ist wirklich ein großer Faktor, das merke ich selbst. Das zu erkennen ist schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung.

    Vielen Dank für diesen schönen Artikel!

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Freut mich, dass Ihnen der Artikel gefällt. Gibt wohl nicht viele, die sich bereits mit 19 Jahren darüber Gedanken machen.

  • Gweny

    Hmm, ich weiß nicht. Ich kenne Leute, die schon als Kind immer dieselbe Routine und wenige Eindrücke gesammelt hatten (schon allein, weil die Eltern bzw. deren Pläne es nie zuließen), und für sie vergeht die Zeit dennoch langsam, als auch Erwachsene, die dauernd Neues erleben, und für die vergeht die Zeit trotzdem schnell.

    Meine Theorie: Wenn man jung ist, fühlt man sich ‘praktisch unsterblich’ und hat noch alle Zeit und Gesundheit der Welt und wartet darauf, erwachsen und eigenständig zu werden. Je älter man ist, umso bewusster wird einem, dass man eben nicht alle Zeit der Welt hat und das Ende unumgänglich immer näher rückt.

  • jens

    einer der punkte, den man mir als kind immer schon prädigte, von dem ich aber glaubte, dass es mir niemals so gehen wird. leider hatte ich unrecht. den punkt mit den neuen erfahrungen und alltag kann ich allerdings nicht unterschreiben.

    wenn ich zurückdenke, hat sich mein “zeitvergeh-gefühl” zwischen 6 und 12 nicht verändert. von 12-18 ging es dann etwas schneller und seit 21 beschleunigt es sich konstant und zunehmend.

    was ich damit sagen will, ist dass all diese jahre von ständigen neuen erfahrungen geprägt waren und vielen erinnerungen, die zeit aber trotzdem schneller verging.

    mein gefühl sagt mir, dass zeitwahrnehmung mit der hirnentwicklung zusammenhängt. so wie kleine kinder entfernungen und abstände nicht richtig einschätzen können, können sie vielleicht auch zeit nicht richtig einschätzen.

    je älter man wird, je mehr sich das gehirn entwickelt, desto näher kommt man der “echten” zeiteinschätzung. in meinem fall, ging es bis 25 immer schneller und ab dann blieb es stehen. ich habe heute das gefühl, dass ein jahr nur noch dem entspricht, was 8 monate für einen 13 jährigen ist.

    für mich läuft auch alles gleich schnell, es ist nicht so, dass mein urlaub schneller vergeht als meine gewöhnlichen tage. ich finde es schade, denn ich habe das gefühl, dass es mir objektive lebenszeit stiehlt.

    heute bin ich 31. vor 10 jahren fing ich meine gesellenstelle an nach meiner ausbildung. 10 jahre sind 10 jahre. es ist die gleiche zeit, die ich in der schule vebracht habe, von der 1ten bis zur 10ten klasse. aber diese letzten 10 jahre fühlen sich nicht so lang an und ich habe einen sehr abwechslungsreichen beruf, wo ich ständig neues erlebe, viel rumkomme und ständig auf fortbildung bin.

  • Wellen Reiterin

    Dass das Leben mit zunehmendem Alter nur noch Routine ist, trifft für mich, Ende 60, absolut nicht zu. In welchem Elfenbeinturm sitzen denn diese Wissenschaftler, die solche Theorien lancieren?

    Schon mal was von unserer sich ständig verändernden Welt gehört?? Es passiert heutzutage und schon seit Jahrzehnten dauernd etwas Neues da draussen, und über die Medien bekomme ich das auch alles mit und muss auf vieles auch reagieren, beruflich, öffentlich und privat. Und die Zeit rast rast davon, öfters fehlt mir glatt ein Tag in der Woche.

    Ich wage hier mal die Gegenthese: Gerade die ständigen Veränderungen in unserem Leben führen dazu, dass mensch die Ereignisse nicht mehr in ihrem/seinem persönlichen Rhythmus verarbeiten kann. Der Druck ist so gross, dass Alltagsbewältigung nur noch möglich ist, wenn wir alles noch schneller und optimaler schaffen. Deshalb haben wir kein Eigenzeit-Gefühl mehr und damit auch kein Zeitgefühl.