Verzettelt? Erste Hilfe! So gewinnen Sie wieder Übersicht!

Kommt es oft vor, dass Sie sich verzetteln? Von den Teilnehmern meines Zeitmanagementkurses höre ich häufig, dass sie zum Verzetteln neigen. Das belastet natürlich, führt zu Überforderung und Stress.

  • Aber wie lässt sich das Verzetteln vermeiden?
  • Lässt es sich überhaupt vermeiden?
  • Und wenn man sich bereits verzettelt hat, wie findet man aus dieser Belastungssituation wieder raus?

Diese Fragen werde ich im Folgenden beantworten.

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Was versteht man überhaupt unter Verzetteln?

Darunter versteht man allgemein, den Überblick zu verlieren und sich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen, sich mit Unwichtigem aufzuhalten, planlos zu agieren, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen. Und das hindert einen am Vorankommen.

Ein kurzer Exkurs zur Abstammung des Begriffs:

Das Wort „verzetteln“ stammt vom mittelhochdeutschen „verzetten“ ab, was so viel bedeutet wie ausstreuen, verstreuen, verlieren. Des Weiteren war „Zette(l)n“ ursprünglich auch ein Fachbegriff aus dem Webergewerbe, der den Beginn einer Webarbeit bezeichnete. Davon leitet sich auch der heute gebräuchliche Begriff „anzetteln“ (z. B. einen Streit anzetteln/beginnen) ab.

Auch wenn beide ursprünglichen Begriffe nichts mit dem heute verwendeten Zetteln und Verzetteln zu tun haben, lässt sich doch eine Verbindung zu der ursprünglichen Bedeutung herstellen: Haben wir uns „verzettelt“, dann sind unsere Gedanken „verstreut“ – oder im Kontext der Weberei: Wir haben „den roten Faden verloren“.

Wie in einem Labyrinth …

Gleich ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Haben Sie nur zwei Aufgaben zu erledigen, dann ist die Gefahr der Verzettelung kaum gegeben. Anders hingegen, wenn 30 offene Aufgaben anstehen. Dann kann sich schnell das Gefühl breitmachen, dass man sich in einem Labyrinth befindet, weil man die Orientierung und Übersicht verloren hat und deshalb nicht weiß, welche Richtung man zuerst einschlagen soll.

Ebenso wird es Ihnen bei zwei anstehenden Aufgaben leichtfallen, diesen eine Priorität zuzuordnen, also sich zu entscheiden, welche Aufgabe zuerst angegangen wird. Bei 30 Aufgaben ist das jedoch eine große Herausforderung, zumal sich Prioritäten immer wieder ändern.

Auch ein guter „Zeitmanager“ wird beim Erreichen einer kritischen Anzahl an Aufgaben irgendwann ins Schwimmen kommen. Verzettelungsgefahr!

Verzettelt? Überblick verloren? Erste Hilfe: 6 Schritte

Sie suchen einen Ausweg aus der Misere? Dann gehen Sie Schritt für Schritt vor, um wieder Klarheit und einen Überblick zu gewinnen:

Tipp 1: Schotten Sie sich ab!

Ziehen Sie sich an einen Ort zurück, an dem Sie für eine Weile möglichst ungestört sind. Alle Ablenkungen (E-Mails, Smartphone, Radio, …) und Unterbrechungen vermeiden oder zumindest auf ein Minimum reduzieren.

Tipp 2: Ziele und Zwischenetappen niederschreiben

Nun gilt es, das Gedankenknäuel im Kopf zu entwirren und daraus einen roten Faden zu spinnen.

Schreiben Sie alle Ziele auf – egal, ob auf Papier oder digital. Abhängig von Ihrer aktuellen Verzettelungssituation können das Ihre privaten, beruflichen oder von außen vorgegebene Ziele (z. B. von Auftraggebern, Projekte) sein. Nutzen Sie hierzu folgende Orientierungsfrage:

Was genau wollen/müssen Sie bis wann erreichen?

Durch dieses Niederschreiben der Ziele gewinnen Sie Klarheit und richten Ihren Fokus neu aus. Notieren Sie auch für jedes Ziel markante Zwischenetappen. Die Ziele und die Zwischenetappen (oder Meilensteine) bilden quasi den roten Faden.

Gut, die Ziele und die entsprechenden Zwischenetappen sind chronologisch aufgelistet.

Tipp 3: Aufgaben und Maßnahmen auflisten

Ein Kopf voll mit tausend – oft belastenden – Gedanken und zig anstehenden Aufgaben schränkt die Übersicht ein. Werfen Sie jetzt einen Blick auf die Ziele. Schreiben Sie nun zu jedem Ziel und Meilenstein die erforderlichen Aufgaben und Maßnahmen auf, um dieses Ziel zu erreichen.

Tipp: 

Teilen Sie große Aufgaben in kleinere auf. Denn manche Aufgaben wirken allein schon wegen ihrer Größe oft so, als ob sie gar nicht zu schaffen wären. Dies trägt nicht sonderlich zur Motivation bei und man will die Aufgabe erst gar nicht angehen.

Wenn Sie also eine große Aufgabe vor sich haben, fragen Sie sich, aus welchen einzelnen Tätigkeiten oder Teilschritten die jeweilige Aufgabe besteht. Diese einzelnen Schritte bzw. Teilaufgaben übertragen Sie in Ihre Aufgabenliste.

Tipp 4: Prioritäten vergeben

Sie haben alle erforderlichen Aufgaben im Zusammenhang mit den jeweiligen Zielen notiert. Nun gilt es, Entscheidungen zu treffen, also Prioritäten zu vergeben.

Welche Aufgaben sind in Hinblick auf die Zielerreichung als Nächstes anzugehen? Legen Sie eine Reihenfolge fest, indem Sie die nächsten anzugehenden Aufgaben (z. B. 6 Tagesaufgaben) nummerieren.

Tipp 5: Legen Sie los!

Nun starten Sie mit der Erledigung dieser Aufgaben gemäß der festgelegten Reihenfolge – eine Aufgabe nach der anderen! Aufgabe erledigt, dann abhaken oder durchstreichen – ein tolles Gefühl. Kommen neue Aufgaben hinzu, ordnen Sie diese gleich dem entsprechenden Ziel zu.

Werfen Sie täglich einen Blick auf Ihre Aufgabenliste. Entscheiden Sie sich für die nächsten zu erledigenden Aufgaben und nummerieren Sie diese erneut. So kommen Sie jeden Tag Ihrem jeweiligen Ziel etwas näher.

Tipp 6: Regelmäßige Zwischenchecks

Prüfen Sie in regelmäßigen Intervallen, ob Sie noch auf dem Weg zum Ziel bzw. zum nächsten Meilenstein sind. Oder sind Sie vom Weg abgekommen und müssen den Fokus neu ausrichten?

Mit diesen Zwischenchecks können Sie besser den Fortschritt verfolgen und bei Bedarf rechtzeitig entgegensteuern.

Licht am Ende des Tunnels

Berücksichtigen Sie diese Schritt-für-Schritt-Anleitung, um aus der Verzettelungssituation wieder rauszukommen, und Sie werden schnell wieder Licht am Ende des Tunnels sehen.

Hier nochmals die einzelnen Schritte in einer Übersicht zum Ausdrucken:

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Sie verzetteln sich häufig? 9 mögliche Ursachen

Nun aber zu den möglichen Ursachen:

1. Sie haben kein Ziel

Ziele bieten Orientierung und eine Entscheidungshilfe. Ob es sich dabei um persönliche oder von außen vorgegebene Ziele handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Wer seine Ziele kennt, läuft nicht so schnell Gefahr, den Fokus zu verlieren und sich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen.

Tipps, wie Sie Ihre Ziele finden und formulieren:

2. Sie können sich nicht entscheiden

Kommen Sie an einen Ort, wo mehrere Wege abzweigen, müssen Sie sich für einen entscheiden, wenn Sie weiterkommen wollen. Haben Sie ein Ziel und wissen, was Sie erreichen wollen, wird Ihnen die Richtungsentscheidung nicht sonderlich schwerfallen.

Tipps, um eine Entscheidung zu fällen:

3. Ungleichgewicht zwischen Input und Output

Oder anders formuliert: Wenn beispielsweise mehr Aufgaben reinkommen als Sie erledigen (können), verlieren Sie früher oder später den Überblick. Das gilt auch dann, wenn Sie Ideen am laufenden Band produzieren, die Sie nicht gleichzeitig umsetzen können. Entscheidungen sind fällig!

4. Fehlende Prioritäten

Vergeben Sie keine Prioritäten, also legen Sie nicht fest, welche Aufgaben wichtig und dringend sind, besteht die Gefahr, sich in Unwichtigem zu verlieren und sich zu verzetteln. Wichtiges bleibt auf der Strecke, Druck und Stress nehmen zu.

5. Ablenkungen

Ablenkungen und Unterbrechungen führen dazu, dass Sie sich Wichtigem nicht mit voller Aufmerksamkeit widmen können. Der Überblick wird eingeschränkt.

Tipp:

Schotten Sie sich regelmäßig ab. Damit meine ich, Phasen freizuschaufeln, in denen Sie möglichst ungestört an Ihren wichtigen Aufgaben arbeiten können. Also Ablenkungen auf ein Minimum reduzieren – und wenn es täglich nur für eine Stunde ist.

6. Unordnung, fehlende Struktur

Auch Unordnung kann mit ein Grund für das Verzetteln sein – etwa ein permanent mit „Zetteln“ voller Schreibtisch, der täglich Suchzeit kostet. Verzettelungsgefahr besteht immer dann, wenn keine Struktur, kein System vorhanden ist – in welchem Bereich auch immer.

7. Perfektionismus

Perfektionisten verlieren sich in Details. Sie wollen immer alles perfekt machen und investieren viel Zeit, um etwas zu verbessern, das aber niemand gefordert hat. Perfektionismus ist das Feilen an unnötigen Details.

Tipp:

Machen Sie sich bewusst, bei welchen Aufgaben Sie generell „zu perfekt“ arbeiten. Setzen Sie sich dann für diese Tätigkeiten Zeitlimits, und zwar schriftlich – also wie lange Sie für die Aufgabe brauchen wollen. Die hierfür vorgesehene Zeit kann dann auch bewusst knapp angesetzt werden. Dadurch wirken Sie dem Perfektionismus gezielt entgegen.

8. Multitasking

Multitasking, also mehrere Tätigkeiten gleichzeitig verrichten, stellt ebenso eine Verzettelungsfalle dar.

Tipp:

Widmen Sie sich konzentriert einer Tätigkeit nach der anderen, praktizieren Sie „Monotasking“. Auch wenn das nicht immer möglich ist und ein hektischer Arbeitstag hin und wieder Multitasking erfordert, planen Sie regelmäßig Phasen ein, in denen Sie bewusst EINE Aufgabe nach der anderen angehen.

9. Der Schweinehund wieder einmal

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – ein bekanntes Sprichwort. Und so ist es: Werden Aufgaben aufgeschoben, weil uns der innere Schweinehund dazu verleitet, wird früher oder später der Zeitpunkt erreicht, der keinen Aufschub mehr zulässt.

Fallen zu diesem Zeitpunkt auch andere wichtige Aufgaben an, dann ist die Anzahl der zu erledigenden Aufgaben kaum zu bewältigen und die Gefahr der Verzettelung wieder gegeben. Der Zeitdruck steigt.

Tipp:

Das sind die häufigsten Ursachen. Wie schaut es bei Ihnen aus? Verzetteln Sie sich hin und wieder?


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Kommentare

  • Anja

    Danke für die hilfreichen Tipps zum “Verzetteln”. Ich finde, vor allem Aufschreiben wirkt Wunder! Meistens wird einem dabei bewusst, dass es doch irgendwie alles schaffbar ist und man eben nur ein wenig den Überblick verloren hat.

    Viele Grüße
    Anja

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Ja genau, Aufschreiben entlastet ungemein und schafft Klarheit.

      Liebe Grüße

      Burkhard

  • Gunnar

    Erkenne mich in einigen Ursachen wieder. Danke für das Erste-Hilfe-Blatt. Hab ich gleich ausgedruckt und werde es in einer Schublade meines Schreibtisches griffbereit halten.

    Leider verzettele ich mich gerne. Der Vergleich mit dem Labyrinth trifft es gut.

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Jederzeit griffbereit wie ein Erste-Hilfe-Koffer – genau dafür ist das Blatt gedacht. :-)

  • Clara Y.

    Das ist ein sehr aufschluss- und hilfreicher Artikel.

    Was mir aber noch nicht ganz klar ist, was Meilensteine bzw. Etappen bei einem Ziel sein sollen? Können Sie da Bspe nennen?

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Das sind im Grunde nichts anderes als besondere Ereignisse auf dem Weg zum Ziel, also Zwischenziele bzw. gewünschte/verlangte Teilergebnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt.

      Beim Ziel „Firmengründung“ können solche Meilensteine sein:

      1. Businessplan erstellt
      2. Finanzierung geklärt
      3. Gewerbeanmeldung
      4. Geschäftslokal angemietet
      5. Personal eingestellt

      Bei einem Planungsprojekt (Bauprojekt):

      1. Abschluss Bedarfsermittlung
      2. – ” – Vorentwurfsplanung
      3. – ” – Entwurfsplanung
      4. – ” – Einreichplanung
      5. – ” – Ausführungsplanung
      6. – ” – Montageplanung

      Beim Hausbau können die Fertigstellungstermine der verschiedenen Bauphasen Meilensteine darstellen, z. B.

      1. Baugrube hergestellt
      2. Fertigstellung Bodenplatte
      3. Fertigstellung Rohbau
      4. Richtfest

      Bei einer Ausbildung können die Zwischenprüfungen die Meilensteine bilden etc.

  • Clara Y.

    Jetzt habe ich es verstanden, danke :)

  • Cora K. Hiebinger

    Sehr übersichtliche Anleitung!

    Das Abschotten habe ich schon einige Male probiert: Wecker stellen, Handy auf lautlos und für 30 – 60 min nur an einer Aufgabe arbeiten. Es ist erstaunlich, wie viel dann plötzlich weitergeht – und es macht auch viel mehr Spaß, so richtig in eine Aufgabe einzutauchen.

  • Daniele

    Vielen Dank für diesen übersichtlichen Artikel, in dem viele nützliche Tipps stehen. Ich werde das auch so angehen, denn meine Verzettelung ist garantiert.

    Ich schreibe mir Ziele auf, auch Aufgaben dazu. Aber plötzlich verschwinden diese Ziele unter dem Berg des Alltags. Plötzlich macht der Alltag einen Strich durch die Rechnung, mittels E-Mail eines Kollegen, eines Briefs von einem Geschäftspartner oder eines Anrufs.

    Und irgendwie gehört das ja alles dazu, ist ja auch wichtig. Aber wo habe ich nochmal meine Ziele, meinen Zeit- und Etappenplan? Verschwunden, vergessen, verloren!

  • Frank

    Lieber Burkhard,

    ich finde Deinen Artikel sehr interessant. Ich habe selbst viele Jahre als Manager hinter mir und finde es „gerade wenn es mal schnell gehen muss und Kreativität und Spontanität gehen Struktur gewinnen“ immer wieder sehr herausfordernd, an einer solchen Struktur festzuhalten. Gerne werde ich Deine konkreten Checklisten mal selbst ausprobieren und Dir und der Community mein „Praxis-Feedback“ geben. Ich freue mich auf einen regen Austausch.

  • umberto689

    Ich habe schon früh festgestellt, dass ich meine Aufgaben schneller und produktiver erledige, wenn ich diese “schön” aufschreibe.

    Ich habe dafür einen speziellen hochwertigen Stift, mit dem ich sehr gerne schreibe und einen hochwertigen Planer, bei dem es mir immer viel Freude bereitet, diesen aufzuschlagen.

    Das hilft mir ungemein meine Ziele/Aufgaben usw. zu visualisieren. Jeden Tag in der gleichen Struktur und nach dem gleichen Schema. Hilft mir sehr meine vertrieblichen Ziele zu bewältigen.

  • Writer

    Ebenfalls habe ich festgestellt, dass ich meine Aufgaben schneller und produktiver erledige, wenn ich diese „schön“ jeden Tag aufschreibe und vor den Augen habe.