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Erfahrungsbericht: Wie ich mein Minderwertigkeitsgefühl erlebt und überwunden habe

In diesem Gastbeitrag beschreibt Samet Eroglu (Betreiber des Blogs Selfmade Soul, mehr über den Autor am Ende des Beitrags), wie ihn sein Minderwertigkeitsgefühl belastet hat, es zu Zwangsstörungen führte und wie er diese überwinden und sein Selbstwertgefühl stärken konnte. Samet schreibt:Entweder man hat ein starkes Selbstwertgefühl oder man hat es eben nicht.“ Das war die Aussage, die ich niemals akzeptieren wollte. Ich wollte nicht tatenlos dabei zusehen, wie ich mich in Gegenwart anderer Menschen unsicher und minderwertig fühlte. Es musste einen Weg geben, wie ich mein Selbstwertgefühl steigern und mich liebenswert fühlen konnte.
Und diesen Weg gab es tatsächlich. Nach 8 Jahren Beschäftigung mit dem Thema Selbstwertgefühl und endlosem Ausprobieren von unterschiedlichen Methoden habe ich es geschafft, mein Selbstwertgefühl enorm zu steigern, meine emotionalen Abhängigkeiten zu lösen und mich liebenswert zu fühlen.

Das Selbstwertgefühl kann trotz Widrigkeiten wachsen

Zweifellos war das kein einfacher Prozess. Er erforderte viel Mut, Kraft und vor allem Durchhaltevermögen. Wie dieser Prozess im Einzelnen aussah und welche Lektionen ich aus den letzten 8 Jahren lernen konnte, möchte ich Ihnen in diesem Erfahrungsbeitrag erzählen.

Meine „Überlebensstrategie“ in der Kindheit

Bereits in meiner Kindheit fühlte ich mich in Gegenwart anderer Menschen unsicher und unwohl. Ich wusste nicht, wie ich mich neben ihnen verhalten sollte. Dennoch: Ich war ein intelligentes Kind und suchte nach Möglichkeiten, diese Unsicherheiten zu überwinden. Eine Strategie, die mir zu diesem Zeitpunkt erstrebenswert erschien, war der Versuch, anderen Menschen zu gefallen. Der Grund dafür war einfach: Wenn andere Menschen beeindruckt von mir waren und mich mochten, fühlte ich mich gut und wertvoll. Ich hatte das Gefühl, dass ich herausgefunden habe, wie dieses Leben funktioniert. Dass mir diese Strategie allerdings später zum Verhängnis werden würde, war mir natürlich noch nicht klar. Vielleicht würden Sie an dieser Stelle Folgendes sagen wollen: „Jeder Mensch möchte doch von anderen gemocht werden. Da ist doch nichts verkehrt daran.“ Und damit haben Sie vollkommen recht. Doch meine Situation war anders. Bei mir waren jede Gestik, jede Mimik und jede Aussage darauf abgestimmt, eine positive Reaktion bei anderen hervorzurufen. Mir war es total egal, was ich selbst dachte, fühlte oder wollte. Das Einzige, was für mich zählte, war die Reaktion der anderen Menschen auf mich. Und dafür war ich bereit, alles zu tun.

Meine Sucht nach Anerkennung führte zur Abhängigkeit

Solange ich es schaffte, eine positive Reaktion der anderen Menschen hervorzurufen, war alles im grünen Bereich. Doch gleichzeitig merkte ich, dass mich Kritik und Ablehnung unverhältnismäßig schwer verletzten. Wenn mich jemand kritisierte, dachte ich oft tage- oder wochenlang darüber nach und versuchte, herauszufinden, was ich falsch gemacht hatte. Und auch an dieser Stelle ist klar, dass sich niemand über Kritik freut. Doch für mich war Kritik nicht einfach nur Kritik. Sie bedeutete für mich: „Du bist wertlos“ und „Du bist schlecht und nicht liebenswert“.
Diese große Angst vor Kritik führte mich letztendlich in einen Teufelskreis. Je mehr ich versuchte anderen Menschen zu gefallen, desto unsicherer wurde ich. Und je unsicherer ich wurde, desto mehr versuchte ich, anderen Menschen zu gefallen.

Zwangsstörungen und der Entschluss zur Veränderung

Dieser Teufelskreis gipfelte darin, dass ich mit 15 Jahren eine Zwangsstörung entwickelte. Ich fing an, große Angst vor bestimmten Infektionen und anderen Krankheitserregern zu haben. 90 Prozent meiner Tage bestanden aus Zwängen und ich war kaum mehr imstande, ein normales Leben zu führen. Mir war klar, dass ich dringend etwas ändern musste. Obwohl ich etliche Ärzte- und Therapeutenbesuche hinter mir hatte, merkte ich, dass sie mir nicht sonderlich halfen. Meine Tage bestanden noch immer größtenteils aus Zwängen und mein Selbstwertgefühl war ohnehin im Keller. Also entschloss ich mich, selbst aktiv zu werden. Ich war der Meinung, dass keiner kommen würde, um mir zu helfen.
Entweder ich würde etwas tun oder meine Situation würde sich nicht ändern. Und dieser Entschluss veränderte mein Leben.
Ich kaufte mir unzählige Bücher und fing an, mich mit dem Selbstwertgefühl und der Zwangsstörung zu beschäftigen. Nicht, weil mich die Themen sehr interessierten, sondern vielmehr aus Verzweiflung und dem Wunsch, ein normales Leben führen zu können.

3 Erkenntnisse, die mein Leben nachhaltig veränderten

Nach 8 Jahren, etlichen Rückschlägen und Hindernissen habe ich es geschafft, ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen und meine Zwangsstörung in den Griff zu bekommen. Von all den Büchern, die ich gelesen habe, kristallisierten sich 3 Erkenntnisse heraus, die mein Leben nachhaltig veränderten. Diese stelle ich Ihnen im Folgenden vor.

Erkenntnis 1: Die Angst vor Ablehnung entsteht, wenn ich mich vor anderen Menschen verstelle

Den Zusammenhang zwischen der Angst vor Ablehnung und dem Verstellen habe ich lange Zeit nicht verstanden. Für mich war klar, dass das Verstellen zum täglichen Leben dazugehört, um überhaupt durch den Tag kommen zu können. Erst als ich mich bemühte, zu verstehen, wieso ich mich verstelle, wurde mir ein wichtiger Zusammenhang bewusst:
Ich verstellte mich vor anderen Menschen, weil ich glaubte, dass man mich so, wie ich in Wirklichkeit bin, nicht akzeptieren würde.
Tief im Inneren war ich überzeugt, dass mein wahres Ich uninteressant und nicht liebenswert ist. Um dennoch von anderen gemocht zu werden, setzte ich mir eine Maske auf. Ich gab mich als jemand, der ich in Wirklichkeit nicht war. Die Suche nach Beweisen für die Ablehnung Ich hatte große Angst vor Ablehnung. Dabei bemerkte ich nicht, dass die Ablehnung, die ich so sehr gefürchtet habe, zunächst einmal von mir selbst ausging. Das hat letztendlich dazu geführt, dass ich überall nach Ablehnung suchte, wo es in Wirklichkeit keine gab, denn ich war überzeugt, nicht liebenswert zu sein. Mir war auch bewusst, dass ich anderen etwas vorspiele. Die Frage war nur: Wann würden die anderen das herausfinden? Wann würden sie mich als Lügner entlarven und mein wahres – uninteressantes – Gesicht sehen? Mein Tipp aus eigener Erfahrung Wenn Sie sich vor anderen Menschen verstellen, dann lehnen Sie sich in erster Linie selbst ab. Sie stempeln Ihre wahre Person als ungenügend ab und suchen daher überall nach Beweisen dafür, dass man Sie nicht mag. Hören Sie beispielsweise irgendwo ein Gekicher, glauben Sie sofort, dass über Sie gelacht wird. Oder Sie glauben, dass Ihre Kollegen über Sie lästern, obwohl sie in Wahrheit nur über das Wetter geredet haben. Der einzige Weg, wie Sie sich von der Angst vor Ablehnung befreien können, besteht darin, dass Sie aufhören, sich selbst abzulehnen. Übersetzt in das tägliche Leben bedeutet das, dass Sie anfangen, authentisch zu leben. Geben Sie sich so, wie Sie in Wirklichkeit sind, und gehen Sie dabei bewusst das Risiko ein, dass Sie manche Menschen nicht mögen werden. Nur so können Sie die innere Sicherheit aufbauen, die nötig ist, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Nur so können Sie die Angst vor Ablehnung und das Gefühl, dass Sie mit anderen Menschen nicht klarkommen, überwinden.

Erkenntnis 2: Unterdrücke ich meine negativen Gefühle, unterdrücke ich auch die positiven

Zweifellos möchte niemand Schmerz und negative Gefühle empfinden, auch ich nicht. Daher war ich oft dazu geneigt, meine negativen Gefühle zu unterdrücken. Doch das war ein Trugschluss, denn nur weil ich meine negativen Gefühle unterdrücke, bedeutet das nicht, dass ich dafür mehr positive Gefühle empfinde.
Meine Erfahrung: Wenn ich meine negativen Gefühle unterdrückte, dann unterdrückte ich gleichzeitig die Fähigkeit, positive Gefühle zu empfinden.
Diese Erfahrung entspricht auch dem bekannten Phänomen der inneren Leere, die viele Menschen nach einem einschneidenden Erlebnis in ihrem Leben verspüren – beispielsweise eine schmerzhafte Trennung oder eine unerwartete Kündigung. Sie glauben, dass sie mit dieser Situation fertig geworden sind, weil sie die dazugehörigen Gefühle unterdrückt und letztendlich „abgetötet“ haben. Doch im nächsten Moment merken sie, dass sie keinen Zugriff mehr auf ihre positiven Gefühle haben. Mein Tipp aus eigener Erfahrung Sie müssen einen anderen Umgang mit den Gefühlen finden.
Und der erste Schritt dabei ist, negative Gefühle nicht mehr als unwillkommene Gäste anzusehen, sondern sie zu akzeptieren, sie bewusst anzunehmen.
Denn all Ihre Gefühle haben ihre Daseinsberechtigung und eine Botschaft, die sie loswerden wollen. Sie können diese Botschaft annehmen und dann abwägen, ob es ratsam wäre, danach zu handeln.

Erkenntnis 3: Ohne Disziplin kein Erfolg

Es gibt keinen Erfolg ohne Disziplin. Und der Aufbau des Selbstwertgefühls stellt dabei keine Ausnahme dar. Diese Tatsache wollte ich lange Zeit nicht akzeptieren. Ich sah den Aufbau meines Selbstwertgefühls als eine eher spirituelle Aufgabe an, die nicht viel Arbeit brauchte. Ich glaubte, dass ich nur genug lesen und über die Ideen nachdenken müsste. Und dann würde ich – wie durch ein Wunder – ein neuer Mensch werden.
Doch die Wahrheit ist, dass das Selbstwertgefühl das Produkt unserer Gedanken UND unseres Handelns ist.
Mein Tipp aus eigener Erfahrung Das Selbstwertgefühl kann nur aufgebaut werden, wenn Sie täglich versuchen, etwas mehr Ehrlichkeit (gegenüber sich selbst) in Ihr Leben zu bringen. Motivation kann an dieser Stelle sicherlich als Startfeuer dienen. Doch verlassen sollten Sie sich auf sie nicht. Nur wenn Sie konsequent an der Änderung Ihrer eingefahrenen Gedankenmuster und Ihres Verhaltens arbeiten – auch wenn Sie mal keine Lust darauf haben –, besteht die Chance, ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

Fazit

Das war mein Weg von einem belastenden Minderwertigkeitsgefühl zu einem starken Selbstwertgefühl. Vielleicht können auch Ihnen meine Erkenntnisse und Tipps weiterhelfen, wenn Sie Ihr Selbstwertgefühl steigern wollen. Das würde mich freuen! Wenn ich heute auf die letzten 8 Jahre meines Lebens zurückblicke, dann bin ich sehr froh darüber, mich intensiv mit meinem Selbstwertgefühl auseinandergesetzt zu haben. Denn ohne die genannten wichtigen Selbsterkenntnisse, die ich dabei gewonnen habe, wäre ich sicherlich von Enttäuschung zu Enttäuschung gewandert, ohne je zu verstehen, dass das Kernproblem in mir selbst liegt. In meinem Gefühl der Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit. Und ja, das Thema Selbstwertgefühl ist durchaus auch kritisch zu betrachten, weil zu viele Menschen versuchen, es mit Halbwissen und schlechten Methoden zu instrumentalisieren. Doch die Tatsache, dass es diese schwarzen Schafe gibt, sollte Sie nicht davon abhalten, an Ihrem Selbstwertgefühl zu arbeiten, wenn es Sie beschäftigt. Denn es geht hierbei um viel mehr, als nur ein gutes Gefühl zu haben.
Es geht darum, dass Sie sich selbst als Menschen respektieren und entdecken, was in Ihrem Leben alles möglich ist.
 

Über den Autor:

Samet Eroglu schreibt auf seinem Blog Selfmade Soul über seine eigenen Erfahrungen mit dem Selbstwertgefühl und zeigt Methoden auf, Gefühle der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit zu überwinden. Er ist Autor des Buches „Durch Mündigkeit zur Selbstliebe: Wie du emotionale Abhängigkeiten überwindest und dich liebenswert fühlst“.

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