Bei anderen zuerst das Positive sehen

Neulich habe ich mit einem Bekannten länger geplaudert. Dieser ist nicht unbedingt eine Frohnatur. Unsere Plauderei dauerte grob geschätzt eine Viertelstunde. Und in dieser Viertelstunde erzählte er mir von einigen seiner Verwandten, weiteren Bekannten und Arbeitskollegen, die in seiner Erzählung alle nicht gut wegkamen.

Nach dieser kurzen Zeit wusste ich von den genannten Personen einige negative Eigenschaften. Natürlich habe ich das nicht alles für bare Münze gehalten. Und überhaupt mag ich es nicht, wenn jemand in Abwesenheit der entsprechenden Person schlecht über sie spricht. Dann habe ich mich gefragt, warum bestimmte Mitmenschen kein gutes Haar an anderen lassen – und das auch noch „Unbeteiligten“ kundtun.

Gut, man kann selbst nie beurteilen, was wirklich dahintersteckt, welche persönlichen Verletzungen und Enttäuschungen vorangegangen sind.

So eine Vorgeschichte kann durchaus der Grund für das „Schlechtreden“ sein.

Manchmal trifft man auch auf Personen, die über andere nicht nur schlecht, sondern auch herablassend sprechen. Das sind meist Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl. Sie fühlen sich dann selber besser. Dazu passt auch das Zitat von Johann Kaspar Lavater, einem schweizerischen Philosophen (1742-1801):


Sprich nie Böses von einem Menschen, wenn du es nicht gewiss weißt! Und wenn du es gewiss weißt, so frage dich: Warum erzähle ich es?


Wir sehen bei anderen Menschen immer recht gerne zuerst die Schwächen und das Unvorteilhafte. Vielleicht auch deshalb, weil wir uns dann selbst in einem besseren Licht sehen. Und wenn uns jemand von vornherein nicht sympathisch ist, dann kann dieser noch so viele gute Seiten haben, die verdrängen wir dann einfach.

Oft ist uns diese Fokussierung auf die Unzulänglichkeiten des Gegenübers gar nicht bewusst.

Zuerst das Gute

Wenn Sie das nächste Mal eine bekannte Person treffen, zählen Sie in Gedanken mindestens fünf positive Eigenschaften oder Merkmale dieser Person auf.

Das können Eigenschaften sein wie „sympathische Ausstrahlung, besonders intelligent, immer für einen Spaß zu haben, …“.

Bei Menschen, die wir schätzen und lieben, fällt es nicht sonderlich schwer, spontan fünf solche Eigenschaften zu finden. Richtig schwierig wird es erst bei Personen, die nicht unbedingt zu unseren Freunden zählen. Bei Menschen, die wir nicht mögen – aus welchen Gründen auch immer.

Machen Sie mal diese Übung ganz bewusst mindestens zwei Tage lang. Sie werden einige Aha-Erlebnisse haben.

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Kommentare

  • Ella

    Hallo Herr Heidenberger,

    ich bin gerade zufällig hier gelandet als ich “positives in anderen sehen” gegoogelt habe. Mein Freund, oder Ex-Freund, oder wie sich das in einer Beziehungspause nennt, hat sich von mir distanziert, weil ich angeblich so negativ über andere Menschen spreche. Das angeblich könnte man sich eventuell sparen. ;)

    Allerdings gehe ich dabei nicht böswillig vor, und schätze die Menschen durchaus, über die ich negatives berichte. Langer Rede, kurzer Sinn: Ihr Beitrag war mir ein Ansporn und Hilfsmittel mich wieder mehr positiv zu äußern. Vielen Dank!

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Freut mich, Ella, dass Ihnen der Beitrag als Ansporn dient! Alles Gute!

  • klaus

    Hallo Herr Heidenberger,

    ein sehr interessanter Beitrag, der jeden, der ihn liest, zum Nachdenken über sein eigenes Verhalten anregen könnte, sofern der betreffende Mensch zur Selbstreflektion fähig ist.

    Auch ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit diesen Themen und habe mich immer wieder gefragt, weshalb sich Menschen überhaupt mit negativen Inhalten beschäftigen – und wie Sie aus der ersten Antwort sehen, tun sie dies auch bei Menschen, die sie eigentlich lieben oder schätzen.

    Nach meiner Einschätzung liegt es daran, seine eigene Wertigkeit dadurch auf ein höheres Niveau anzuheben. Denn wer sich mit Katastrophen oder dem angeblichen Fehlverhalten anderer Menschen beschäftigt, der impliziert für sich, dass es in seinem eigenen Leben/Verhalten sehr viel besser aussieht.

    Das gilt insbesondere bei Berichten über nicht anwesende Dritte. Durch deren Herabqualifizierung soll vor der Person, der man dieses erzählt, die eigene Wertigkeit und die der zuhörenden Person angehoben werden. Das ist ein psychologischer Prozess, den wir in vielen Facetten vorfinden und der allein auf den Minderwertigkeitsempfindungen des jeweiligen Menschen beruht.

    Hierfür gibt es eine große Medien-und Produktindustrie, die extrem gut daran verdient (Facebook war von seiner Basisintention her übrigens eine davon). Eigentlich sind Intensität und Umfang der negativen Äußerungen über andere Menschen schon ein Maß für die Bewertung des Minderwertigkeitsgefühls eines Menschen, der auf diese Weise agiert.

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Danke für Ihren Beitrag, Klaus!

      > Das gilt insbesondere bei Berichten über nicht anwesende Dritte. Durch deren
      > Herabqualifizierung
       soll vor der Person, der man dieses erzählt, die eigene
      > Wertigkeit und die der zuhörenden Person angehoben werden.

      Ja, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Dazu habe ich auch einen Beitrag geschrieben, der diesen Punkt berücksichtigt:

      » 10 Gründe, warum Menschen andere runtermachen.